Schwimmenlernen ist kein Crashkurs

Warum kann mein Kind immer noch nicht schwimmen?

Viele Eltern fragen sich oft, warum ihr Kind, nachdem es bereits an mehreren Kursen teilgenommen hat, immer noch nicht schwimmen kann. Oft lese ich in Foren und Chats, dass viele von ihnen überlegen, ihr Kind aus dem Schwimmkurs zu nehmen, weil es ihnen zu lange dauert, zu teuer wird oder sie sogar an den Fähigkeiten ihres eigenen Kindes zweifeln.

Man liest dann so Sätze wie: „Jetzt haben wir schon knapp 400 Euro für Schwimmkurse ausgegeben“ und „unser Kind kann immer noch nicht schwimmen!“. Meistens wird dann schnell die Schuld beim Schwimmlehrer gesucht, was aber in den meisten Fällen unberechtigt ist. Sicherlich sind Schwimmstunden nicht mehr so günstig, wie sie es früher einmal waren, auf der anderen Seite bekommt man, wenn man sich eine Schwimmschule mit qualifiziertem und erfahrenem Personal sucht, auch sehr gute Qualität geboten! Ich frage mich in diesen Situationen oft, wie viel Familien im Jahr für Autoreparaturen, Handyrechnungen, Klavierunterricht oder die Anschaffung von neuen Computerspielen und andere Sachen ausgeben. Viele Eltern vergessen, dass es beim Schwimmenlernen um eine Fertigkeit geht, die einfach gelernt werden muss, um sich in einer eventuellen Notsituation später selbst vor dem Ertrinken zu schützen. Aus diesem Grund ist es egal, ob ich nun 400 Euro oder 1000 Euro für die Schwimmausbildung ausgebe. Es geht hier schließlich um das Leben meines Kindes.

1. Was könnten nun die Gründe dafür sein, dass ein Kind Schwierigkeiten mit dem Schwimmenlernen hat?

Zuallererst möchte ich betonen, dass sich die Anforderungen, Inhalte und auch die Vielseitigkeit der Ausbildung im Schwimmen immer weiter verbessern. Mittlerweile bieten auch in Deutschland viele Schwimmschulen (und darüber bin ich sehr froh) eine sogenannte Wassergewöhnung an, in der es überhaupt nicht um das Schwimmen lernen an sich geht. Man versucht hier nicht wie früher den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen und das Kind ohne pädagogisches Feingefühl nach der „Schwimme oder ich drücke dich unter Wasser“-Methode an das Wasser zu gewöhnen.

Wird die Wassergewöhnung nicht sorgfältig durchgeführt und zu schnell zur Schwimmausbildung übergangen, kann es sein, dass einige der Teilnehmer sich im Wasser nicht wohlfühlen, kein Vertrauen zu ihm aufbauen oder sogar negative Erfahrungen machen können. Oft kommen Kinder mit diesen Erlebnissen bereits zum Unterricht. Irgendwann in der Vergangenheit wird ihnen in Verbindung mit Wasser etwas passiert sein, was sie bis heute nicht vergessen haben. Diese Erinnerung hat sich nun bei ihnen so verfestigt, dass es nur schwer wird, diese Hemmungen und Zweifel wieder aufzuheben. Das kann zum Beispiel beim täglichen Haarewaschen passiert sein, Ausrutschen in der Badewanne oder Papa hat es vor Jahren beim Planschen im Freibad etwas übertrieben und sein Kind befand sich auf einmal, unerwartet, etwas zu lange unter Wasser. All das kann, wenn man nicht vorsichtig genug ist, dazu führen, dass Kinder nicht gern zum Schwimmunterricht gehen bzw. sich weigern, überhaupt das Schwimmen zu erlernen.

2. Negatives Umfeld / Angst, weil Kinder keinen Zugang zum Wasser hatten

Das Gegenteil könnte aber auch die Ursache für eine Abneigung zum nassen Element sein. Manche Kinder bekommen einfach keine Chance, um mit Wasser oft genug in Berührung zu kommen. Das kann daran liegen, dass Eltern im Sommer mit ihren Kleinen nie zum See oder ins Freibad fahren. Viele Familien haben keinen Garten mehr, in dem die Kinder in den wärmeren Monaten des Jahres einfach mal z.B. mit dem Wasserschlauch umherspritzen oder in einem kleinen Planschbecken spielen. Oft gibt es zu Hause im Bad auch keine Wanne mehr, in der Kinder nach ihren Vorstellungen Sachen selbst ausprobieren können.

Man hört auch von Eltern, die selbst gar nicht schwimmen können oder vielleicht sogar Angst vor Wasser haben. Kinder schauen sich viel von ihrem Umfeld ab, wenn sie ständig von ihren Eltern gesagt bekommen „Geh da nicht zu nah ran. Nachher fällst du noch rein und ertrinkst“ oder auch „Wasser ist gefährlich.“, entwickeln die Kinder dann natürlich eine negative Meinung gegenüber dem nassen Element. Wie kann dann vom eigenen Nachwuchs verlangt werden, dass er von Anfang an ein freudiger und hoch motivierter Teilnehmer im Schwimmlernkurs ist, der die Seepferdchenprüfung bereits drei Wochen vor Kursende ablegt?

3. Übergewicht, Koordinations- und Konzentrationsschwierigkeiten

Natürlich muss ich auch ansprechen, dass sich Kinder von heute, aufgrund von übermäßigem Konsum von Unterhaltungselektronik, nicht genug bewegen und kaum Platz zum Toben und Spielen haben. Viele von ihnen sind durch schlechte oder unzureichende Ernährung übergewichtig und kommen teilweise mit erschreckend schlechten koordinativen Fähigkeiten und Konzentrationsschwächen in den Unterricht. Einige Kinder wissen im Alter von sechs Jahren nicht einmal, wie sie die Luft anhalten, geschweige denn, wie sie sie mit voller Wucht oder auch ganz sanft wieder auspusten können. Als Schwimmlehrer fängt man somit bei Sachen an, die schon viel früher zu Hause bzw. im Kindergarten gelernt werden sollten. Es gibt Kinder, die ihre Gliedmaßen nicht richtig bewegen können, weil sie zu viel Körpergewicht haben, sodass es die Bewegungsausführung beeinträchtigt und sie Schwierigkeiten haben, selbstständig aus dem Poolbecken zu klettern. Ich habe Kinder im Unterricht erlebt, die vorher mit Unmengen an Süßigkeiten vollgestopft worden sind und dann im Unterricht nicht mehr meinen Anweisungen folgen konnten, weil sie zu aufgedreht waren oder auch einfach zu wenig Schlaf bekommen hatten. Auch diese Umstände beeinträchtigen natürlich den erfolgreichen Schwimmlernprozess.

Schwimmen lernen ist
kein notwendiges Übel

Wie ihr bereits im ersten Teil dieses Beitrages lesen konntet, gibt es viele Gründe, warum Kinder etwas benötigen, um sich an das Wasser zu gewöhnen und bis sie die nötigen Kenntnisse verinnerlicht haben. Schwimmen lernen ist kein notwendiges Übel, das man schnell mal macht und dann abhaken kann. Es bedarf Zeit. Ziel sollte es sein, so viele Kenntnisse und Fertigkeiten wie möglich zu lernen, um im Falle eines Notfalls gut vorbereitet zu sein. Viele denken „Ok, mein Kind kann jetzt schwimmen. Wieder eine Hürde geschafft. Auf zur nächsten.“ Meiner Meinung nach geht es, nachdem das Kind Schwimmen gelernt hat, erst richtig los mit der Wassersicherheitsausbildung. Die neu erlernte Fähigkeit bringt auch Gefahren mit sich, wie z.B. ein gesteigertes Selbstbewusstsein und in manchen Fällen geht auch der Respekt vor dem Wasser verloren. Bucht euer Kind ruhig weiterhin in einen Schwimmkurs ein. Es kann nie schaden, Erlerntes zu vertiefen und Neues in diesem Bereich zu lernen.

4. Zu lange mit dem Schwimmkurs gewartet

Ein weiterer Grund, dass ein Kind viel Zeit zum Schwimmen lernen beansprucht, könnte sein, dass der Schwimmkurs von den Eltern viel zu lange hinausgezögert wurde bzw. dass die Eltern sich auf das Schulschwimmen ab der dritten Klasse verlassen haben. Schwimmen kann jeder lernen, allerdings dauert es mit zunehmendem Alter auch etwas länger, da, sich über die Jahre bereits bestimmte Vorurteile gegenüber dem Wasser gebildet haben können oder ggf. negative Erfahrungen gemacht worden sind. Außerdem geht mit zunehmendem Alter der kleinkindliche Entdeckungsdrang und das unbekümmerte Ausprobieren von neuen Dingen, Stück für Stück verloren. Für Kinder, die diesen Entdeckungsdrang nicht mehr haben, wird es zunehmend schwerer, sich an das Wasser zu gewöhnen, Vertrauen aufzubauen und der Schwimmlernprozess kann erheblich länger dauern.

Zu viele Eltern denken, dass sie sich das Geld für den Schwimmkurs am Nachmittag sparen können, da Schwimmen lernen später in der Schule Bestandteil des Sportunterrichts ist. In der dritten Klasse sind die meisten Kinder aber schon 9 Jahre alt. Wer hier erst mit dem Blasenblubbern im Kinderbecken beginnt, wird nicht nur einen langen und frustrierenden Weg (vermutlich auch als Einziger der Klasse) bis zum richtigen Schwimmen vor sich haben, sondern auch feststellen, dass alle anderen schon viel weiter sind und bereits wie die Großen ins tiefe Becken springen und schwimmen dürfen.

 

Allerdings ist es auch schon vorgekommen, dass Eltern ihre Kinder vom Schwimmunterricht bewusst fernhalten wollen. Sie sind überzeugt, dass ihre Kinder nicht lernen müssen, wenn diese es nicht wollen. Ich kann nicht verstehen, wie man seinem Kind diese einmalige Chance verwehren kann. Es ist mir bewusst, dass der Schwimmunterricht am Nachmittag Geld kostet, aber das Schulschwimmen ist meines Erachtens umsonst oder nur mit sehr geringen Kosten verbunden. Warum sollte ich meinem Kind diese wichtige Erfahrung nicht ermöglichen? Viele vergessen das es beim Schwimmen lernen nicht nur darum geht, sich auf mögliche Gefahren vorzubereiten und sich selbst retten zu können, sondern es geht auch darum, Kindern aufzuzeigen, was einem für Möglichkeiten offen stehen, wenn man es endlich kann.

 

Hier eine kleine Auflistung, was euren Kindern entgeht, wenn sie das Schwimmen nicht richtig lernen:

– Schwimmen mit Freunden
– Schwimmen an den tollen Stränden im Urlaub
– im Verein, als Leistungs-, Freizeit- oder Rehasport
– alle Wassersportarten wie Rudern, Kanu, Segeln, Tauchen, Wasserski, Wakeborden, Surfen usw.
– Freunde kennen lernen
– usw.

5. Zu wenig Zeit investiert / Schwimmen wieder verlernt / keine Möglichkeit zum Üben

In meiner langen Laufbahn, lernte ich ein Kind im Unterricht kennen, das bereits die Seepferdchenausbildung bestanden hatte. Das Mädchen war bereits 8 oder 9 Jahre alt und ihre Eltern waren sehr besorgt, da sie in der Nähe eines Sees wohnten und ihre Kleine das Schwimmen wieder verlernt bzw. auch mittlerweile eine große Angst gegenüber dem Wasser entwickelt hatte. Ich frage mich, ob der Seepferdchenkurs einfach nur zu kurz war oder die Kleine, im Anschluss, wenig Möglichkeit hatte, weiter zu üben. Oder war es vielleicht doch ein traumatisches Erlebnis?

Schwimmen lernen ist kein Crashkurs!!!

Wenn ich meine Führerscheinprüfung, um ein Auto fahren zu können, bestanden habe, dann heißt das ja auch noch lange nicht, dass ich ein guter Autofahrer bin. Sicheres Autofahren kommt erst mit der Erfahrung und braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Genauso ist es auch beim Schwimmen lernen.

Wenn ich als Elternteil keine Zeit habe, mit meinem Kind selbst ins Schwimmbad zu gehen, um dort ein paar Bahnen zu ziehen, dann sollte man in Erwägung ziehen, weitere Kursangebote der Schwimmschulen war zunehmen. In einigen Einrichtungen wird der erweiterte Unterricht, wie Aufbaukurse mittlerweile angeboten.

Die Ausbildung kann, wenn man es dann wünscht, bis zu mehreren Jahren dauern, ohne dabei den Leistungsdruck wie im Schwimmverein zu erhalten. Die Inhalte sind unheimlich breit ausgerichtet und die Kinder lernen eine Vielzahl von Schwimmstilen, Fortbewegungsmöglichkeiten, Rettungsmethoden und viele andere nützliche Fertigkeiten, die für den unbekümmerten Aufenthalt im oder am Wasser einfach von großer Bedeutung sind.